Wie die meisten, die in den letzten Jahren hier mitlesen wissen, bin ich von Beruf Organisationsberater. Dazu ausgebildet wurde ich an der Ruhr-Uni Bochum an verschiedensten Fakultäten der Gesellschaftswissenschaften. Obgleich viele glauben, dass Soziologen als Taxifahrer enden, ist es mir gelungen, im Haifischbecken der Wirtschaft, etabliert Fuß zu fassen. In beratender Funktion durchläuft man naturgemäß […]
Keine Erklärung für Sondernutzungsgebühren in der Baustelle
Wieviel Arroganz kann sich eine Behörde leisten? Gelsenkirchen verlangt Sondernutzungsgebühren von Händlern, die seit Jahren unter einer Großbaustelle leiden. Auf konkrete Nachfragen antwortet das Referat Verkehr nicht. Man steht über den Dingen, wie so oft. Und auch die Pressestelle schweigt.

UPDATE, 10.06.2015: Auch die WAZ berichtet.
UPDATE,09.06.2015: Die Pressestelle der Stadt Gelsenkirchen hat heute Morgen angemessen reagiert und glaubhaft versichert, die gewünschten Informationen zur Verfügung zu stellen, bzw. die Fragen zu beantworten.
Die Stadt Gelsenkirchen ist, bezogen auf einige der wichtigsten Verkehrswege, eine Baustelle. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Und auch die Lokalpresse gibt sich manchmal vorsichtig kritisch. Vorsichtig vielleicht deshalb berechtigt, weil ein eindeutiges Urteil über die Verkehrssituation dem Bürger und damit verkehrsplanerischen Laien doch sehr schwer fallen dürfte.
Auf der einen Seite soll die Gelsenkirchener Verkehrssituation natürlich langfristig verbessert werden, wozu natürlich Baustellen – z.T. auch langfristigere – notwendig sind. Auf der anderen Seite wirkt die zeitliche Parallelisierung, die z.T. ewige Dauer und die mangelnde Rücksicht auf Pendler, Geschäfte und Anwohner – freundlich formuliert – unkoordiniert. Wohlgemerkt freundlich formuliert. Der Umbau des Heinrich-König-Platzes wird zwar unisono von den anliegenden Geschäftsleuten gelobt, Dreck, Staub Behinderungen der Laufwege und der Fernerkennung sind aber dennoch nicht zu verhindernde Konsequenzen. Auch eine Geschäftsaufgabe hat es in direkter Folge der Baustelle schon gegeben. Interessiert hat dies ernsthaft offenbar niemanden. Jedenfalls gab es trotz Berichterstattung keinerlei offizielle Reaktionen.
Gute Informationspolitik durch Sebastian Kröger. Rechnungen zur Sondernutzung vom Referat Verkehr.
Während Sebastian Kröger regelmäßig über den Fortgang der Baustelle informiert und für die umliegenden Geschäfte stets ansprechbar ist, spürt man auf Seiten des Referates Verkehr ein deutliches Desinteresse an den Problemen und Herausforderungen des Einzelhandels in der nunmehr Jahre andauernden Großbaustelle. Nimmt man die Einschränkungen durch die Baustelle rund um den Umbau des Hans-Sachs-Hauses hinzu, handelt es sich inzwischen um eine nunmehr ein Jahrzehnt andauernde Infrastrukturschwächung ohne Unterbrechung, in der sich Händler und Anwohner hätten regenerieren können. Ausgleichsleistungen für die z.T. massiven Ausfälle sind nicht vorgesehen und in Anbetracht der städtischen Finanzen auch nicht leistbar. Es liegt, so argumentieren Vertreter der Stadt, im Risikobereich der Unternehmer, für Ausfälle im Falle von Baustellen zu haften. Kurzfristig ist dies sicherlich richtig. Es sollte aber nicht im Risikobereich eines Unternehmers liegen, wenn über viele Jahre die Infrastruktur in Bezug auf Erreichbarkeit und Sichtbarkeit komplett wegbricht.
Es gibt Strafen für das Ausstellen von Waren im Eingangsbereich der Geschäfte. Das Referat Verkehr führt Begehungen durch und stellt Rechnungen.
Dem Handeln des Referates Verkehr in Gelsenkirchen ist mit einem gesunden Menschenverstand angesichts der Baustellensituation kaum beizukommen. In der ganz aktuellen Bausituation wird der Verkehr von der Ebertstraße über den Bürgersteig in die Robert-Koch-Straße umgelenkt. Folge: Erstmalig meldete ein Einzelhändler einen Tag gänzlich ohne Kunden. Auch die Stimmung im Medical Center ist hochgradig zugespitzt. Ein Arzt, der seinen Namen in diesem Weblog nicht lesen möchte, empfindet die Baustellensituation als verwaltungsgesteuerte Dauerbenachteiligung. Vom Gelsenkirchen Blog darauf hingewiesen, dass die Händler in den unteren Ladenfilialen jetzt vom Referat Verkehr mit Sondernutzungsgebühren für ausgestellte Waren in ihrem Eingang zur Kasse gebeten werden, kommentierte dieser die Information mit der Worten, dass es sich ganz offenbar um ein Missverständnis handeln müsse. Das wäre rational nicht zu begründen.
Kein Missverständnis findet das Referat Verkehr.
Rational begründen möchte die Gebühren dort aber ebenfalls niemand.
Das Gelsenkirchen Blog stellte am 29.April 2015 eine Anfrage per Email an das Referat Verkehr, das seinen Sitz in Buer hat. Die Zuständigkeit ließ sich über die Rechnung an einen Händler leicht ableiten. Die Anfrage erfolgte formell als Bürgeranfrage.
(Die Kommunikation öffnet sich jeweils mit einem Klick auf den Link)
Anfrage an das Referat Verkehr vom 29.April. 2015
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau F.,
mein Name ist Dennis Zitzewitz und ich bin der Betreiber des Gelsenkirchen Blogs, einem Onlinemagazin rund um Gelsenkirchener Themen. In der vergangenen Woche haben mich die Händler des sogenannten “Kirchviertels“, der Ladenzeile am Heinrich-König-Platz, darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie von Ihrem Referat sowohl mündlich als nunmehr auch schriftlich aufgefordert wurden, sich zu einer „Unerlaubten Sondernutzung der öffentlichen Verkehrsfläche“ unmittelbar vor den jeweiligen Schaufenstern zu äußern. Sie unterstellen damit, dass die Händler (Schuhgeschäft / Florist/ Sonstige) mit der vor dem Schaufenster und Türeingang ausgestellten Ware unerlaubt einen Parkstreifen und Gehweg nutzen. Es stellte für die Mitarbeiter Ihres Referats darüber hinaus kein Problem dar, die genutzte Fläche auszumessen und die Zustellung eines Gebührenbescheids über die angefallenen Sondernutzungsgebühren zu avisieren.
Aus meiner persönlichen Sicht – und wohl auch aus Sicht der Händlerschaft – nutzen die Betriebe weder unerlaubt einen Parkstreifen, weil das Parken in diesem Bereich strengstens verboten ist und auch keinen Gehweg, weil die ausgestellten Waren sich fast im Eingang und noch unter dem Vordach des Geschäftshauses befinden. Sicherlich werden Sie entgegnen, dass der Bereich städtisch ist und damit kostenpflichtig. Auf einen derart im Ergebnis vorwegnehmbaren Diskurs möchte ich mich mit Ihnen weder einlassen, noch ist er Anlass dieses Schreibens. Vielmehr beabsichtige ich einen qualifizierten Artikel darüber zu verfassen, mit welcher Weitsicht und Reflektion Ihr Referat zur Stadt- und Wirtschaftsentwicklung dieser Stadt beiträgt.
Qua Amt unterstelle ich Ihnen darüber informiert zu sein, mit welchen infrastrukturellen Einschränkungen die Händlerschaft der gesamten Ahstraße / Heinrich-König-Platz in den nunmehr vergangenen zwei Jahren, in Folge der Großbaustelle, umzugehen hatte. Massivste Einschränkungen der Laufwege und Fernerkennung durch Bauzäune haben zu erheblichen Umsatzrückgängen und – wie Sie der Presse entnehmen konnten – auch zu Geschäftsaufgaben geführt.
Für mich erscheint Ihre Aufforderung zur Zahlung einer Sondernutzungsgebühr vor diesem Hintergrund unpassend. Um die Amtshandlungen Ihres Referates besser verstehen und gegenüber meiner Leserschaft einordnen zu können, habe ich wenige Fragen an Sie, über deren Beantwortung ich mich sehr freuen würde.
- In welchem Maße berücksichtigen Sie im konkret dargestellten Fall (HKP/ Ahstraße) die langfristige Baustellensituation in Ihren Kontrollbegehungen?
- Insofern die Baustellensituation keine juristische Rolle für die Sondernutzungssituation spielt, stellt sich die Frage, ob alles was möglicherweise Recht ist auch gerecht ist. Daher die Frage: Inwieweit haben Mitarbeiter Ihres Referates einen Ermessensspielraum?
- Welchen gesellschaftlichen bzw. öffentlichen Nutzen hat Ihre Arbeit in diesem konkreten Fall? Wo liegt der Mehrwert für den Bürger?
- Ich habe Ihnen unterstellt, dass Ihre Amtshandlungen vor dem aufgezeigten Hintergrund unpassend sind. Wie ist Ihre Meinung, bezogen auf den konkreten Fall?
Mit freundlichen Grüßen aus Gelsenkirchen
Dennis Zitzewitz
So wie die Anfrage formell gestellt war, wurde sie vom Referat Verkehr auch beachtet. Gar nicht. Ich erhielt auf die Anfrage weder per Email noch telefonisch eine Reaktion. Dabei sind die Fragen weder unzumutbar noch irrelevant. Im Gegenteil, sie geben dem Referat die Möglichkeit, etwaige Missverständnisse über deren Arbeit gleich von vornherein aus dem Weg zu räumen. Nach 19 Tagen ohne jede Reaktion habe ich es mir erlaubt, noch einmal eine Erinnerung herauszusenden. Diesmal habe ich jedoch, unter Verweis auf das Landespressegesetz, auf das Informationsrecht dieser Publikation hingewiesen.
Erinnerung mit Verweis auf LPG vom 18.Mai 2015
Nur einen Tag später erhielt ich dann eine – zunächst – vielversprechende Antwort aus dem Referat, welche die angefragten Informationen nicht avisierte, wohl aber eine “Stellungnahme” durch die Pressestelle der Stadt.
Antwort auf die Erinnerung am 19. Mai
Sehr geehrter Herr Zitzewitz,
selbstverständlich erhalten Sie eine Stellungnahme zu Ihrer E- Mail.
Diese wird Ihnen in Kürze über die Pressestelle der Stadt Gelsenkirchen zugehen.
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrage
S. B.
In der Pressestelle schlägt man derzeit wohl aber noch den Paragraphen nach. Geantwortet hat bisher schließlich niemand.
In Erinnerung an die Auskunftspflicht warte ich weiter auf die Beantwortung der gestellten Fragen. Bevor die Strategen in der Pressestelle auf die vorsintflutartige Idee kommen, dieses Blog nicht als ein Organ der Presse anzusehen, sei vorsorglich darauf verwiesen, dass dieses Blog dann gern auch nochmal einen “echten” so “richtigen Investigativjournalisten” dazu animieren könnte, bei Ihnen nachzufragen. Auch die Presse- und Medienvertreter von WAZ , REL und WDR, die regelmäßig hier mitlesen, sind herzlich dazu eingeladen sich die Fragen zu stellen, die das Gelsenkirchen Blog sich stellt.
Geplant für diesen Artikel war – vor einem Monat – eine Gegenüberstellung der begründeten städtischen Interessen und die Nöte des lokalen Handels und kein Verriss des Referates. Wer bis hierhin in seiner Lektüre vorgedrungen ist, wird es aber – genau wie ich – mit lobenden Worten schwer haben.
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